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Experteninvasion in Bottrop: Die europäischen Stars der Hilfsmittel-Makerszene geben sich die Ehre

Direkt aus dem Unterricht stürze ich schnell ins Auto. An diesem Dienstag hatte ich nach einem – zugegeben luxerös kurzem  – Arbeitstag noch etwas vor. In Bottrop organisierte die Hochschule einen „FabTalk“ mit einigen Stars der Hilfsmittelszene. Da wollte ich natürlich nicht fehlen. 😉

Als ersten Redner wurde Nicolas Huchet engagiert. Für mich eine inspirierende Persönlichkeit der internationel DIY-Hilfsmittelszene (falls es soetwas gibt?!). Ich hatte den Franzosen vor einigen Monaten in einer Arte-Dokumentation gesehen (leider nicht mehr im Netz zu finden). Darin steht Nico anfangs sichtlich frustriert vor einem 3D-Drucker im Berliner FabLab und inspiziert die verunglückten Finger, die er für seine selbstgebastelte Prothese nutzen wollte. Natürlich geht der Film am Ende gut aus und die neue Technologie hilft dem Behinderten zu einer neuen Hand. Doch der Weg dorthin war steinig, wie Nico noch einmal in Bottrop erklärte.

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Aus dem französischen Arbeitermileu kommend fand er in der Automechnik seinen Traumjob. Kaum dem Teenageralter entwachsen verlor er bei einem Arbeitsunfall seine Hand und später auch den Job. Was dann geschah, macht das Märchen so schön: Nico gab sich nicht auf, sondern suchte auf eigene (verbliebene) Faust nach einer Lösung. Er fand sie in einer Internet-Anleitung zum Prothesenbau. Ohne großartige Vorkenntnisse schraubte, lötete und 3D-druckte er einige Monate herum. Mit dem Ergebnis ging er auf die MakerFaire in Rom. Ab hier veränderte es sein Leben: „Von überall kamen die Leute, um mir die Hand zu geben. Dabei hatte ich an dem Arm eigentlich gar keine!“, witzelte Monseur Huchet.

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Schnell wurde klar, er hatte sich nicht nur eine neue Hand gebaut, sondern auch einen Job erfunden. „Plötzlich war die Behinderung für mich ein Glücksfall!“, sagte er. Seitdem ist Nico in vielen Projekten involviert. Das spannenste ist für mich ganz klar MyHumanKit.org. Auf der Webseite finden sich diverse Anleitungen zu Makerprojekten für Hände, Füße, Rollstühle und mehr.

Ein kleines Video von Nicos Organisation, die mit Google zusammenarbeiten darf, hat es auf nicht weniger als 6 Millionen Aufrufe geschafft. Französichkenntnisse hilfreich, aber auch ansonsten sehenswert:

Nicht weniger spannend war der auf Nicolas Huchet folgende Vortrag von Enrico Bassi. Der Intaliener sprach über den Designprozess eines Hilfsmittels. Viele Kassengestelle sehen eben genau danach aus. Dabei sei es doch wichtig, dass die Nutzer (vor allem Kinder) auch optisch Spaß daran haben: „Lasst es uns weniger hässlich machen“, schlug er vor. Dazu verglich er ein Krankenkassen-Rad mit einem rosa Einhorntraum von Fahrrrad. Worauf würde ein siebenjähriges Mädchen wohl lieber fahren?

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Auf der Webseite seiner Maker-Community aus Mailand Opendotlab.it sind solche Projekte zu finden. Außerdem mischt der Italiener noch kräftig bei Careables.org mit. Besonders interessant fand ich eine seiner „Faust-Regeln“: Er hielt fünf Finger in die Luft und sprach davon, dass ein gutes Hilfsmittel von einem Team von Designern, Makern, Fachleuten aus dem Behindertenbereich, einem Koordinator und dem Spezialisten in eigener Sache bestehen müsse. „Na prima“, denke ich, „meine One-Man-Show scheint also wenig erfolgsversprechend“. Jemand Lust mir bei den nächsten Projekten auszuhelfen? 😉

Anschließend, beim verputzen des Caterings auf dem Treppenabsatz, kam ich u.a. mit Enrico weiter ins Gespräch. Dabei ging es darum, wie Hilfsmittelprojekte, wie unsere, auf breite Basis gestellt werden könnten, damit sie möglichst lange betrieben werden. Enricos Antwort war – total verkürzt – Geld und meine, im Grunde, ehrenamtliches Engagement. Was denkt ihr? Lasst gerne einen Kommentar da.

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Gegen Abend wurde im FabLab der Hochschule Rhein-Waal bei einem Workshop mit Nicolas Huchet weiter gefachsimpelt. Mir steckte der Arbeitstag in den Knochen und ich verkrümelte mich, um die anderthalbstündige Heimfahrt in Angriff zu nehmen. Netterweise war jedoch Jens Klöpfel bereit seine Fotos mit mir zu teilen. Vielen Dank!

Insgesamt eine tolle Veranstaltung. Zum Glück steht schon die Nächste in den Startlöchern. Am 7. November ab 16 Uhr findet, erneut in Bottrop, die Auftakveranstaltung „Emscher-Lippe hoch 4“ statt. Hier geht’s zur Anmeldung: https://el4.org/anm/ . Ein Themenpunkt nennt sich „DIY – Hilfsmittel aus dem 3D-Drucker“. Da freue ich mich besonders drauf. 😉

Hier noch einige Infos:

Die Vorträge von Nico und Enrico im Video auf der Facebook-Seite der Emscher-Lippe⁴: https://www.facebook.com/EmscherLippe4/

Bericht von Jens Klöpfel auf der Emscher-Lippe⁴-Homepage: https://el4.org/viele-spannende-eindruecke-beim-hrw-fabtalk-am-09-10-2018/

 

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